Hörbeeinträchtigung

Sensibilisierungstraining


Es ist da: das Sensibilisierungstraining!


Dieses Training ist vor allem als Hilfe für alle gedacht, die hörenden Menschen mehr Einblick in das Leben mit einer Hörbeeinträctigung geben wollen.
Menschen mit Hörbeeinträchtigungen können dieses Training nutzen, um das Bewusstsein für ihre Beeinträchtigung in ihrer Hörumgebung zu schärfen.
Das Training ist aber auch für Fachleute nützlich, die mit Menschen mit Hörbeeinträchtigung arbeiten und die Hörumgebung ihrer Kunden sensibilisieren wollen.

Schließlich ist diese Schulung auch für hörende Menschen zu empfehlen, die sich für das Thema Hörbeeinträchtigung interessieren.

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Behinderten Session, Hörbeeinträchtigung

Erste Behinderten-Session in der Schweiz


Am Freitag, den 24. März, fand hier in der Schweiz die erste Behinderten-Session im Schweizer Parlament statt. Ein einzigartiges und historisches Ereignis, bei dem ich dabei sein durfte.

Dieser Tag war eine Sondersitzung des Schweizer Parlaments, an der ausschließlich gewählte Parlamentarier mit Behinderungen teilnahmen. Im Vorfeld konnte man sich dafür als Kandidat oder als Gast bewerben.
Weil ich (noch) nicht gerne für mich werbe, sondern lieber für anderen oder bestimmte Themen, und weil von über 200 möglichen Kandidaten nur 44 ausgewählt werden konnten, für die man ohnehin einen Verein oder eine Zeitung hinter sich haben musste, habe ich mich als Gast beworben.

Letzten Freitag war es dann soweit. Allein der Rundgang durch das schöne Bundeshaus war ein Genuss. Das historische Gebäude sieht wunderschön und beeindruckend aus, wie man auf den Fotos sehen kann.
Ebenso beeindruckend war, dass man überall, wo man hinsah oder ging, Rollstühle, Assistenzhunde und weiße Stöcke sah.

Schon nach kurzer Zeit wurde ich von einer freundlichen Dame vom Schweizer Radio SRF, um ein kurzes Interview gebeten, dem ich zustimmte und ihre Fragen zu meiner Meinung und dem Grund meiner Anwesenheit beantwortete.

Die Organisation des Tages war ausgezeichnet. Der einzige Wermutstropfen war, dass die verteilten Induktionshilfen nicht überall gleich gut funktionierten. Unten im Saal hatte man wahrscheinlich guten Empfang, oben auf der Zuschauertribüne leider nicht überall. Meinem Bauchgefühl folgend, hatte ich zum Glück meinen eigenen Rogerpen dabei und konnte die Debatten via Livestream mit – zeitversetzten – Untertiteln verfolgen. Es gab aber Gebärdensprache Dolmetscher und es war sogar ein Schriftdolmetscher anwesend.

Der Inhalt der Debatten war sehr stark und kraftvoll, und der Vorsitzende des Tages, der selbst im Rollstuhl saß, wünschte sich, dass die Menschen auch bei den täglichen Debatten so vorbildlich und so pünktlich mitmachen würden.
Das Ergebnis ist eine Resolution, die der beiden Räten des Parlaments übergeben wurde, in der eine aktivere und sichtbarere Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an der Politik gefordert wird; dass Menschen mit Behinderungen ihr Wahlrecht barrierefreier ausüben können und generell besser in die Gesellschaft integriert werden.
Das sind natürlich schöne Worte, aber diesen Tag ist erst der Anfang. Jetzt geht es darum, diese schönen Worte in die Praxis umzusetzen. Und da hinkt die Schweiz leider noch ein wenig hinterher. So wurde sie von der UNO-Behindertenkommission bereits dafür kritisiert, dass sie den 2014 ratifizierten UNO-Beschluss noch nicht vorangebracht hat.

Ein kleines Beispiel: In den Niederlanden haben Menschen mit einer Hörbehinderung die Möglichkeit, rund 30 Stunden privates Dolmetschen zu beantragen, für ehrenamtliche Tätigkeiten, Geburtstage, Kurse und so weiter.
Hier in der Schweiz kann man nur Dolmetscher Stunden für Arbeit und/oder Studium beantragen. Alles, was darüber hinausgeht, einschließlich ehrenamtlicher Arbeit, müssen Sie selbst oder der Verein, für den Sie tätig sind, bezahlen. Dass dies in der Praxis natürlich kaum vorkommt, weil Gebärden-/Schriftdolmetscher viel zu teuer sind, wird niemanden überraschen. Ich habe das selbst erlebt, als Präsident im Vorstand eines Schwerhörigenverbandes. Dolmetscher sind einfach nicht bezahlbar, auch nicht für eine Mitgliederversammlung.


Neben all den überwältigenden visuellen Eindrücken war die Atmosphäre an diesem Tag kämpferisch und enthusiastisch. Die Rednerinnen und Redner wurden mit Applaus begrüßt, und als die Sitzung zu Ende war, wurden alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit tosendem Beifall bedacht.
Anschließend gab es einen Apero mit der Möglichkeit, Erfahrungen und Gedanken auszutauschen. Auch hier liefen mehrere Dolmetscher herum, und alles war gut organisiert.


Dieser Tag hat in den Schweizer Medien viel Aufmerksamkeit erhalten, aber für meinen Geschmack hätte er noch viel mehr Aufmerksamkeit erhalten können.
Auf jeden Fall sorgte dieser Tag dafür, dass Menschen mit sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen im Mittelpunkt standen und ihre Stimmen gehört wurden. Das war die Absicht, und jetzt hoffen wir, dass es nicht bei schönen Worten bleibt.


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Hörbeeinträchtigung, schwerhörig

Stimmbildung


stimme
http://all-free-download.com/free-photos/download/singing_children_197509_download.html
Author: Tonny Watanebe

Als Kind war ich schon immer von Stimmen fasziniert. Egal, ob es sich um singende oder sprechende Stimmen handelte, sie haben mich entweder gefesselt oder nicht. Für mich ist es so faszinierend, was man alles mit einer Stimme machen kann und welchen Einfluss sie hat.
Vor etwa fünf Jahren nahm ich an einem Stimmworkshop teil und schrieb darüber https://reneeiseli.wordpress.com/2017/12/06/stimmworkshop/
Ich war sehr begeistert und wollte nach diesem Workshop Unterricht nehmen. Leider war dies nicht der richtige Zeitpunkt für mich und ich musste meinen Wunsch verschieben.

Nach dem Tod meiner Mutter im letzten Jahr habe ich begonnen, mich mehr mit der Frage zu befassen, was mir im Leben wichtig ist, und plötzlich tauchte der Stimmworkshop wieder auf. Ich habe mich schliesslich im September letzten Jahres angemeldet, musste dann aber wegen meines Unfalls und meiner gebrochenen Schulter leider absagen.
Zum Glück wurden für dieses Jahr wieder Termine freigeschaltet und … gestern war meine erste Stunde.
Natürlich wurden in dieser Stunde alle Corona Massnahmen ergriffen: Mundschutz, Lüften und Abstand halten. Nur diejenigen, die sprachen oder sangen, nahmen ihre Masken ab, die anderen behielten sie an, bis wir selbst an der Reihe waren.

Für mich, der ausschliesslich nur dann mitsingt, wenn wirklich niemand in der Nähe ist, der mein Singen hören kann, war das ein sehr aufregendes Ereignis. Ich war immer davon ausgegangen, dass ich keine gute Stimme habe und auch verstimmt singe, aber am Ende stellte sich das als gar nicht so schlimm heraus: Sowohl die Dozentin als auch die andere Kursistinnen waren positiv und konstruktiv kritisch.
Laut die Dozentin war es sehr bemerkenswert, dass ich trotz meiner schweren Hörbeeinträchtigung alle Töne gut erkennen und verwenden konnte.
Wenn ich darüber nachdenke, ist das in der Tat bemerkenswert, und ich habe keine deutliche Erklärung dafür.
Ich hatte eine gute Sprachentwicklung, weil ich erst im Alter von 17/18 Jahren schwerhörig wurde und mein Hörverlust in den ersten Jahren nur langsam zunahm, erst später beschleunigte er sich. Aber jetzt wüsste ich wirklich nicht mehr, wie etwas „natürlich“ klingt, und ich weiss auch wirklich nicht, woher ich die Tonhöhen habe. Aber offensichtlich gibt es sie, und darüber bin ich sehr froh!

In diesem Stimmbildung Kurs geht es aber nicht nur um das Singen (lernen), das Singen ist super, aber es geht um mehr: Ich kann auch meine Sprechstimme entwickeln.
Da ich regelmäßig vor Gruppen spreche, möchte ich, dass nicht nur die Botschaft, sondern auch meine Stimme gut ankommt, und auch daran kann ich im Kurs arbeiten.

Kurz gesagt: Natürlich stelle ich mir nicht vor, plötzlich Freddy Mercury oder Agnetha und Frida von ABBA zu sein, aber insgeheim geniesse ich die Tatsache, dass ich zu ihrer und anderer Musik singen kann, nein, sogar muss.

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Hörbeeinträchtigung

Spital


Liebe Leserinnen und Leser, lange Zeit war es ruhig auf dieser Seite. Der Grund dafür waren die Ferienmonate und eine unglückliche Stolperpartei meinerseits Anfang September. Ich stolperte aus Versehen, verlor das Gleichgewicht, und in der Nähe stand eine Parkuhr, gegen die ich mit der linken Schulter prallte. Ein netter Passant, der den Vorfall gesehen hatte, brachte mich in die Notaufnahme, wo sich herausstellte, dass die Schulter ausgekugelt, der Schulterkopf an drei Stellen gebrochen und einige Knochen gesplittert waren.
Eine Operation war unausweichlich, und glücklicherweise konnte meine Schulter mit einer Platte fixiert werden.
Das klingt zwar einfach, aber die Folgen dieser ungewollten und ungeplanten Einschränkung sind langwierig. Selbst mit Physiotherapie wird es wahrscheinlich ein Jahr dauern, bis ich (fast) alles mit meinem linken Arm/Schulter wieder machen kann.
Im Moment kann und darf ich meinen Arm ein wenig bewegen und kann auch wieder mit beiden Händen tippen. Natürlich alles in Maßen, sonst fängt meine Schulter an, vor Schmerzen zu protestieren.

Neben der Absage von geplanten Aktivitäten bedeutete dies unter anderem auch, dass ich innerhalb von 2,5 Jahren wieder ein Schweizer Spital erleben konnte. Für das Personal und den Service kann ich nur Lob aussprechen.
Am Tag der Operation war ich etwas erschrocken, als ich zu Fuss zum Operationssaal begleitet wurde, die Tür aufging, die Geräte und das OP-Personal bereitstanden und man mich hereinbat. Schluck … Es dauerte eine kleine Weile, bis ich in der Lage war, diese Einladung anzunehmen und mich zu überwinden herinzuspazieren, ganz gleich, wie freundlich die Einladung war.

Alle Mitarbeiter des Spital waren gleichermassen freundlich und hilfsbereit. Es gab (und gibt) eine Mundschutzpflicht, die das Verstehen für mich recht anstrengend machte. Wenn niemand im Zimmer war, konnte ich meinen Mundschutz abnehmen. Sobald jemand hereinkam, musste ich sie wieder anziehen. Am ersten Tag habe ich es manchmal vergessen, weil ich unter den Schmerzmitteln stand und mich schlecht konzentrieren konnte. Dann wurde ich freundlich, aber bestimmt daran erinnert. Das war natürlich kein Problem und ein geringer Aufwand für mich. Ich habe meinerseits sie daran erinnert, dass ich schwerhörig bin und dass es für mich wichtig war, nicht zu schnell und deutlich zu sprechen. Auch das war kein Problem, und sie waren sehr verständnisvoll. Meine Hörgeräte habe ich zur Sicherheit Tag und Nacht getragen (nachts natürlich ausgeschaltet).

Glücklicherweise verlief die Operation gut, und nach etwa 4 Tagen durfte ich wieder nach Hause gehen, wo ich mich ausruhen konnte. Diese Pause dauerte etwa 2 Tage, dann musste ich wieder in die Notaufnahme. Vermutlich aufgrund einer Kombination von Medikamenten/Schmerzmitteln schoss mein Blutdruck in enorme Höhen, und es dauerte sehr lange, bis sie ihn wieder senken konnten. Die Untersuchungen ergaben nichts Aussergewöhnliches, aber ich musste über Nacht zur Beobachtung im Spital bleiben. Glücklicherweise war mein Mann bei mir in der Notaufnahme und konnte mir bei der regen Kommunikation von Zeit zu Zeit helfen. Gerade in Zeiten wie diesen ist Kommunikation so wichtig! Es ist wichtig, dass man gut versteht, was gefragt oder gesagt wird, und dass man die richtigen Antworten geben kann. Aber auch hier alle Lob: jeder tat sein Bestes, um gut zu kommunizieren und sie hatten alle Verständnis.

Obwohl ich mir diese Erfahrung gerne erspart hätte, liess mich die enorme Bereitschaft, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit, die ich im Krankenhaus erlebte, das Pflegepersonal noch mehr schätzen.

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Hörbeeinträchtigung

Das Ulrich-Turner-Syndrom und das Hören


Liebe Leserinnen und Leser, heute möchte ich über die Erkrankung „Turner-Syndrom“ sprechen und warum viele sogenannte Turner-Mädchen/Frauen Hörprobleme haben.
Das Turner-Syndrom ist eine genetische Störung, die, bis auf ein paar sehr seltenen männlichen Ausnahmen, nur Mädchen/Frauen haben können. Die Eigenschaften sind von Person zu Person unterschiedlich.
Bei Frauen mit Turner fehlt eines der Geschlechtshormone, die X-Chromosomen. Oder eines der beiden X-Chromosomen hat eine andere Form. Bei Turner ist dies in der Regel in allen Zellen der Fall. Aber manchmal ist es nur in einem Teil der Zellen. Dies wird als Mosaik bezeichnet und die Merkmale sind dann oft milder.
Die Anomalie auf dem X-Chromosom tritt vor der Geburt auf, direkt nach der Befruchtung der Eizelle. Vereinfacht ausgedrückt liegt ein kleiner Fehler bei der Befruchtung vor. Ein großer Teil der Schwangerschaften endet aufgrund dieses Fehlers mit einer Fehlgeburt. Nur zwei Prozent der Föten mit diesem Defekt werden tatsächlich geboren.
Frauen mit Turner-Syndrom sind (fast) immer von kleiner Statur. Einige haben Probleme mit dem Herzen, den Nieren, der Schilddrüse und/oder dem Gehör.
Für weitere Informationen über das Turner-Syndrom selbst möchte ich auf die Website von https://www.turner-syndrom.ch/ verweisen.
Hier möchte ich auf das Turner-Syndrom und das Hören eingehen.

Turner-Frauen können häufiger an Mittelohrentzündungen leiden. Da die Eustachische Röhre, die das Mittelohr mit dem Rachenraum verbindet, bei Turner-Frauen manchmal etwas anders gebaut ist, wird der Druck hinter dem Trommelfell und der Druck von außen nicht immer richtig reguliert. Dadurch kann sich Flüssigkeit im Mittelohr ansammeln und es besteht ein erhöhtes Risiko für Mittelohrentzündungen, insbesondere bei Kindern. Diese Infektionen können z.B. mit Antibiotika behandelt werden, und manchmal kann das Einsetzen eines Paukenröhrchens in das Trommelfell dazu führen, dass sich der Druck hinter dem Trommelfell wieder normalisiert.
Oft verschwinden die Ohrentzündungen nach der Kindheit. Die häufige Punktion oder spontane Ruptur des Trommelfells oder das Einsetzen von Paukenröhrchen zur Entfernung der Flüssigkeit oder der Entzündung hinter dem Trommelfell kann zu Hörschäden führen. Das Trommelfell wird durch die vielen Narben weniger flexibel und kann daher weniger Schall an das Innenohr weiterleiten.

Im höheren Alter kann das Gehör bei jedem nachlassen. Bei einem Teil der Turner-Frauen geschieht dies schon etwas früher. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass die Haarzellen im Innenohr weniger gut zu arbeiten beginnen.
Kurz gesagt, es wurde ein klarer Zusammenhang zwischen dem Turner-Syndrom und Hörproblemen hergestellt. Das bedeutet natürlich nicht, dass jede Frau mit dem Turner-Syndrom diese Symptomen hat. Zum Glück nicht, würde ich fast sagen. Aber ein großer Teil hat Hörprobleme, einschließlich meiner Person.
Meine Kindheit war geprägt von vielen Erkältungen und Mittelohrentzündungen. Damals kannten wir den Zusammenhang mit dem Turner-Syndrom noch nicht. Wir haben das erst später erfahren.
Aber als Turner Frau mit Mosaik gehöre ich zu der Gruppe mit milden Merkmalen und hatte damit Glück. Selbst meine Länge ist etwas mehr als die einer durchschnittlichen Turner Frau, auch ohne Wachstumshormone, aber dank eines großen Vaters.
Kennen Sie jemanden mit Turner-Syndrom, haben Sie oder Ihre Tochter es vielleicht selbst? Stellen Sie sicher, dass Sie gut informiert sind. Auch mit dem Turner-Syndrom kann man gut leben, genau wie mit einer auditiven Einschränkung, wenn man in der Lage ist, selbst damit umzugehen.

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Aufklärung, Hörbeeinträchtigung

Sensibilisierung


Strassenschild, Hinweis, Richtung

Liebe Leserinnen und Leser, vor einiger Zeit habe ich bereits geschrieben, dass ich als Moderatorin für eine Organisation von und für Menschen mit einer Beeinträchtigung oder Behinderung Workshops gebe. Diese Organisation organisiert u.a. Sensibilisierungsprojekte für Erwachsene und auch an Schulen.
Inzwischen hatte ich bereits die Gelegenheit, mehrere Workshops für Erwachsene zu geben, die hauptsächlich im Dienstleistungsbereich arbeiten. Das ist etwas, was ich besonders gerne mache.

Diesmal war ich an der Reihe, einer Schulklasse von 9- bis 12-Jährigen eine Gaststunde zu geben. Diese Gaststunde war eigentlich schon vor fast einem Jahr geplant, wurde aber von COVID-19 verschoben. Gestern war dann endlich der Tag.
Da ich selbst keine Kinder habe und kaum Erfahrung mit Kindern im Allgemeinen, geschweige denn pädagogische Erfahrung, bereitete ich mich gründlich auf diese Tätigkeit vor.
Bewaffnet mit einem Plan, versehen mit genügend Abwechslung, eigener Erfahrung, ein wenig Theorie, einem kurzen Videofilm, einigen Fragerunden und mitgebrachten Gegenständen zur Visualisierung des Ohres und verschiedener Hilfsmittel, ging ich nervös los. Würde es mir gelingen, die Aufmerksamkeit der Kinder zu bekommen und zu behalten? Wäre ich in der Lage, ihnen zu vermitteln, wie es ist, schwerhörig zu sein? Und, nicht die geringste meiner Sorgen, wie würden die Kinder auf mich und meine Geschichte reagieren?

Ich bin pünktlich losgefahren und kam auch pünktlich an der Bushaltestelle an, von der aus die Schule ca. 5 Minuten Fußweg entfernt war, aber zunächst konnte ich die Schule nicht finden. Mit etwas Hilfe meiner Kontaktperson bei der Organisation schaffte ich es schließlich, gerade noch rechtzeitig zum Klassenzimmer zu kommen. Dieser Stress führte aber dazu, dass ich mich nicht gerade entspannt fühlte.
Mit einem „Na dann viel Glück“ legte ich gleich los und anscheinend bemerkte niemand meine Nervosität, außer mir.
Nachdem ich mich mit Gebärden und ohne Stimme vorgestellt hatte, fuhr ich ohne Gebärden und mit der Stimme fort und erzählte etwas über mich. Dann kamen die Fragen. Eine Menge Fragen und vor allem gute Fragen. Die Kinder erwiesen sich als sehr neugierig und interessiert an dem, was ich ihnen zu erzählen hatte. Meine Geschichte und die Abwechslung schienen gut anzukommen und sie liebten die Gegenstände, die ich mitgebracht hatte, wie meinen Vibrationswecker, den sie in einer Pause anschauen und ausprobieren durften.
Die Gaststunde verging sehr schnell und von Ungeduld, Aufregung oder Desinteresse war zum Glück keine Spur.

Noch heute spüre ich die Erleichterung, dass alles gut gegangen ist. Nur wenig ist damit zu vergleichen, als Laie 15-20 Paar kritische und ehrliche Kinderaugen auf sich gerichtet zu haben. Erleichterung, auch besonders angesichts meiner Angst vor öffentlichem Reden, mit der ich mein ganzes Leben lang zu kämpfen hatte. Blackouts, völlig durchdrehen, Lampenfieber, sich einfach nicht trauen, alles als Folge des Mobbings während meiner Schulzeit.
Nach meiner Schulzeit habe ich viel, sehr viel, getan, um diese Angst zu überwinden. Von Kursen „Sprechen in der Öffentlichkeit“, bis zur bewussten Suche nach Gelegenheiten, dies zu tun. Mit dem Herz in der Kehle, das heißt.
Heute kann ich mit Sicherheit sagen, dass mit dieser gestrigen Gaststunde ein nun fast 35-jähriger Weg der langsamen Selbstüberwindung beendet und gekrönt wurde. Das macht mich ein wenig stolz.

Haben Sie Angst, offen über Ihre Hörbeeinträchtigung zu sprechen, davor, wie die Menschen um Sie herum reagieren werden? Fangen Sie an, darüber zu reden. Am Anfang ist es immer schwierig, aber Sie werden sehen, dass es immer einfacher wird, denn es ist noch kein erfahrener Meister vom Himmel gefallen.

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ablesen, Hörbeeinträchtigung, schwerhörig

Beleidigt


Liebe Leserinnen und Leser, in meiner Laufbahn als hörbeeinträchtigter Mensch habe ich schon viel erlebt und auch von vielen Erfahrungen gelesen, die Sie als Leser teilen. Dass mich Situationen immer noch schockieren, hat also etwas zu bedeuten. Gestern war so ein Moment.

In der Schweiz sind seit dem 1. März die Geschäfte wieder geöffnet. Um möglichst wenig einkaufen zu müssen, bin ich gestern gleich in mehrere Geschäfte gegangen, damit ich alles in einem Rutsch erledigen konnte.
Eines meiner Ziele war ein lokaler Juwelier/Goldschmied. Hier wollte ich mich nach den Möglichkeiten und Kosten für eine Schmuckreparatur erkundigen. Beim Betreten des Ladens fiel mir sofort auf, dass ich den Juwelier nur sehr schwer verstehen konnte. Das lag nicht nur an der Mundschutz, sondern auch am Dialekt und an der Geschwindigkeit, mit der er sprach.

Deshalb fragte ich ihn höflich, ob der Juwelier bitte deutlicher sprechen könnte, weil ich schwerhörig bin und es so schwer sei, ihn zu verstehen. Die Reaktion des Juweliers war „Warum? Ich rede, wie ich rede!“ Daraufhin fragte ich ihn noch einmal, ob er etwas deutlicher sprechen könne, da ich ihn aufgrund meiner Hörbeenträchtigung kaum verstehen und auch nicht ablesen konnte. Der Juwelier antwortete mit einem beleidigten „Dankeschön …!“
Nun hätte ich natürlich auch auf andere Weise reagieren können:

  • nochmals erklären, dass ich schwerhörig bin und Schwierigkeiten habe, undeutliches und schnelles Reden zu verstehen.
  • mich entschuldigen und darauf hinweisen, dass ich das nicht gefragt habe, um ihn zu beleidigen, sondern …
  • eine Szene machen und dem Mann sagen, dass er mich als Kunden unfreundlich und verständnislos behandelt.
  • aus dem Laden gehen, ohne etwas zu sagen.

In diesem Moment stand mein Kopf jedoch nicht nach einer diesen Optionen. Zum Teil, weil ich derzeit keine Energie für Diskussionen oder Konflikte aufbringen kann. Zum Teil, weil ich der Meinung bin, dass die Plumpheit und das Unverständnis des Mannes nicht mein Problem sind und ich das auch nicht zu meinem Problem machen will.
Ich habe daher seine Reaktion völlig ignoriert, meine Frage gestellt und die Antwort mit viel Mühe und der Bitte um Wiederholung verstanden. Dass ich den Laden ohne Ergebnis verlassen habe, lag in diesem Fall wohl nicht an der Kommunikation.

Habe ich es mir selbst schwer gemacht mit meiner Entscheidung, seine Reaktion zu ignorieren? Einerseits ja, denn ich musste mich ziemlich anstrengen, um den Mann zu verstehen. Andererseits, nein, denn eine Diskussion mit diesem Mann hätte nichts gebracht und mich noch mehr Energie gekostet.
Die einzige Lösung ohne Aufwand für mich wäre gewesen, den Laden sofort zu verlassen. Das hätte ich natürlich auch tun können, aber das wäre zu meinem eigenen Nachteil gewesen, denn ich hätte immer noch keine Antwort auf meine Frage gehabt und dieser Juwelier war der einzige, der mir diese Antwort geben konnte. Für mich wog eine Antwort zu diesem Zeitpunkt schwerer. Das war meine eigene Entscheidung.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass dies zeigt, dass Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung immer noch auf Unverständnis stoßen und hart arbeiten müssen, um besser zu informieren.
Für den Moment ist dieser Vorfall ein Anstoß für mich, mit meinem Blog und anderen Aktivitäten weiterzumachen.
Oh, und habe ich schon erwähnt, dass ich auf jeden Fall nicht zu diesem Juwelier zurückkehren werde?

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Auditive Herausforderung, Hörbeeinträchtigung, schwerhörig

Die verlorene Batterie


„Nein! Nein, nein und nochmals nein!“

Fassungslos starre ich auf meine leere Hand, in der sich noch vor wenigen Augenblicken eine hübsche kleine, knopfförmige, silberne Batterie befand. Ich, eine Frau mittleren Alters, die seit ihrem 18. Lebensjahr Hörgeräte trägt, eine Veteranin im Wechseln von Hörgerätebatterien, habe meine neue Batterie auf den Boden einer belebten Straßenbahn fallen lassen. Sie denken jetzt vielleicht: „Dann besorg dir doch eine andere.“ Ja, da hätten Sie recht, wenn dies nicht die letzte Batterie in meiner Handtasche gewesen und ich nicht in einer Schule zu einer Gaststunde erwartet worden wäre.

Als Moderatorin einer Organisation von und für Menschen mit Behinderung, gebe ich im Rahmen eines Sensibilisierungs-Projekts regelmäßig Workshops für Menschen, die im Dienstleistungssektor arbeiten. Auch halte ich Gaststunden an Schulen. Ich spreche über meine Hörbeeinträchtigung, beantworte Fragen und versuche, die Berührungsängste und Vorurteile gegenüber hörbeeinträchtigten Menschen abzubauen.

Leider habe ich heute Morgen, bevor ich losgegangen bin, vergessen zu überprüfen, wie viele Batterien ich noch dabeihabe, mit dem Ergebnis, dass ich nun an einem Ohr batterielos durch den Tag kommen muss. Nach Hause zurückkehren, um neue Batterien zu holen, ist keine Option, denn ich bin jetzt schon fast an meinem Ziel. Da ich hier fremd bin und keinen Akustiker in der Nähe weiß, kommt auch der Kauf von Batterien nicht in Frage. Ich fühle mich dumm und machtlos, schaue wieder auf den Straßenbahnboden, als würde die Batterie plötzlich wieder auftauchen und grinsend „Hallo, war nur ein Scherz, ich bin wieder da!“ rufen. Natürlich nicht, sie ist klein und rund, rollt in alle Richtungen oder versteckt sich. Meine Batterie ist und bleibt weg.

Mein Körper ist in Aufruhr, mein Blutdruck ist im Moment bestimmt zu hoch und diesmal nicht wegen der Wechseljahre! Ich kann nicht mehr ruhig denken, Fragen schwirren mir durch den Kopf. Warum muss mir das jetzt passieren? Was soll ich nun tun? Wie kann ich jetzt noch meine Gaststunde durchführen? Werde ich vor der Klasse nicht wie ein Idiot dastehen? Unkonzentriert blicke ich auf den Bildschirm mit den Haltestellen vorne in der Straßenbahn. An der nächsten Haltestelle muss ich aussteigen, sehe ich noch rechtzeitig. Ein letztes Mal schaue ich noch auf den Boden. Nein, keine Batterie.

Als ich das Klassenzimmer der Klasse betrete, in der ich meine Gaststunde halten werde, sehe ich, dass Kees bereits damit beschäftigt ist, einen Beamer auf ein Stativ zu stellen.
„Guten Morgen“, begrüße ich ihn, ein wenig bedrückt und nicht so fröhlich wie sonst.
„Hey, guten Morgen!“ Er dreht sich zu mir um. „Was ist los mit dir? Nervös?“
Natürlich verstehe ich ihn mit einem Ohr nicht, lese aber die Frage in seinen freundlichen Augen. Kees ist der Koordinator des Sensibilisierungs-Projekts und ist immer bei Workshops oder Gaststunden seiner Moderatoren dabei. Er kümmert sich gut um uns, unterstützt uns, wo er kann und gibt immer gutes Feedback. Ich mag ihn sehr.

„Ich habe gerade meine letzte, funktionierende Batterie in der Straßenbahn verloren, als ich sie gegen eine leere Batterie tauschen wollte. Jetzt habe ich keine Batterien mehr und höre fast nichts mehr auf dem rechten Ohr“, informiere ich ihn. „Wie soll ich jetzt meine Gaststunde durchführen? Das geht so nicht!“
Kees muss die Verzweiflung in meiner Stimme hören, denn er sieht mich beruhigend an. Ich lese sogar einen Schimmer von Humor in seinen Augen.
„Ist das nicht genau das, was Studenten von jemandem mit einer Hörbehinderung erwarten? Dass diese Person sie nicht oder nur schwer versteht? Mein Rat? Halte einfach deinen Vortrag wie geplant. Ich werde dich bei den Fragen unterstützen.“

Im Moment habe ich definitiv eine Beeinträchtigung! Ohne Batterie kann ich mit dem rechten Ohr kaum was verstehen! Da ich das Glück habe, mit meinem Restgehör und beiden Hörgeräten noch einigermaßen gut zu funktionieren, bin ich das tagsüber nicht gewohnt. Und das Schlimmste ist, dass ich meine Zusatzgeräte, ein Mikrofon und einen Empfänger, nicht benutzen kann, weil sie über Bluetooth mit den funktionierenden Hörgeräten verbunden sind. Ich fühle mich hilflos, furchtbar unsicher und möchte am liebsten weglaufen.

Doch dann kommen die ersten Schüler und gibt es keinen Weg zurück. Als die Lehrerin der Klasse auf mich zukommt, um mich zu begrüßen, erkläre ich ihr kurz meine Situation. Sie zeigt Verständnis. „Wie kann ich helfen?“, fragt sie.
„Könnten Sie vielleicht während der Fragerunden alle Fragen für mich an die Wandtafel schreiben?“
Meine Kreativität kommt zum Glück wieder ein wenig in Schwung.

Etwas beruhigt beginne ich meinen Vortrag. Zuerst gebärde ich einen Satz ohne Stimme und die Schüler dürfen raten, welchen Satz ich gerade gebärdet habe. Dann stelle ich mich vor und erzähle von meinen vielen Mittelohrentzündungen, die zu meiner ersten Schwerhörigkeit führten, dann vom Weg zu meinem ersten Hörgerät, meiner plötzlichen weiteren Verschlechterung des Gehörs, die dazu führte, dass ich von mittelschwer bis hochgradig schwerhörig eingestuft wurde, und von meinen Erfahrungen danach.
Bei der ersten Fragerunde signalisiert Kees der Lehrerin, dass sie sitzen bleiben kann, und er es ist, der die Fragen für mich aufschreibt. Zum Glück funktioniert das gut! Die Klasse ist interessiert und ich habe viele Fragen zu beantworten. Die Lehrerin sorgt dafür, dass die Fragen nacheinander gestellt werden. Langsam spüre ich, wie mein Selbstvertrauen zurückkehrt.

Als ich mit meinem Theorie angefangen habe, merke ich plötzlich, dass etwas meinen Kopf berührt. Ein Stück Papier fällt mir zu Füßen. Ich schaue mich in der Klasse um und beobachte hier und da Gekicher. Die Lehrerin schreibt etwas auf einen Notizblock auf dem Tisch vor ihr und bemerkt nichts. Ich traue mich nicht, Kees anzuschauen, aus Angst, meine Konzentration komplett zu verlieren. Ich beschließe, das Stück Papier zu ignorieren und fortzufahren. Als ich merke, dass erneut etwas meinen Kopf berührt, höre ich mitten in meinem Satz auf.
„Es gibt noch andere Wege, meine Aufmerksamkeit zu bekommen“, scherze ich, aber der Schweiß läuft mir über den Rücken hinunter und meine Hände sind nass. Die Lehrerin schaut von ihren Notizen auf. Ich nehme einen der beiden Papierknäuel in die Hand und zeige ihn ihr und der Klasse.

„Wer war das?“ Verärgert schaut die Lehrerin ihre Schüler an. „Joop, du?“ Joop leugnet in allen Tönen. Sein Blick schweift zu einem Mädchen mit langen dunklen Haaren und einem schmalen rosafarbenen Gesicht.
„Janneke?“ Schuldbewusst senkt Janneke ihren Augen. Sie sagt nichts. „Warst du das?“, fragt die Lehrerin Janneke jetzt eindringlicher. Jannekes Wangen werden rot.
„Ich möchte, dass du dich sofort entschuldigst und dann zum Rektor gehst. In der Pause werde ich ihn fragen, ob du bei ihm warst.“ Eisig schaut die Lehrerin Janneke an. Janneke steht langsam auf und geht zur Tür. Ich höre nicht, ob sie sich entschuldigt, aber sie verlässt das Klassenzimmer mit gesenktem Kopf. Jeder kann jetzt eine Stecknadel fallen hören. Dann sagt die Lehrerin laut und deutlich und schaut mich an, so dass ich von ihren Lippen ablesen kann: „Ich schäme mich für euch!“
Ich nicke ihr beruhigend zu und deute an, dass ich mit meinem Vortrag fortfahren möchte. Die restliche Zeit bleibt es ruhig.

In der letzten Fragerunde wird zögernd die „Frage aller Fragen“ gestellt: „Ziehen Sie ihre Hörgeräte beim Sex aus oder nicht?“ Ha, Teenager! In dieser Altersgruppe, den 11- bis 12-Jährigen, gibt es meist einen unter ihnen, der sich traut, diese Frage zu stellen. Die Lehrerin ist schockierter als ich. Diese Frage stört mich gar nicht und ich grinse.
„Was würdest du tun, wenn es in deinem Ohr so richtig quietscht?“, gebe ich die Frage an die Schüler zurück. Ich sehe, wie die Schüler einen Moment lang aufgeregt miteinander diskutieren, dann ergreift der Fragesteller wieder das Wort.
„Ich würde sie ausziehen!“ Richtig. Eine weitere Antwort erübrigt sich, und ich zwinkere dem Fragesteller, einem gutaussehenden Jungen mit dunklem, gewelltem Haar, Jeans und einem dunkelblauen Pullover, fröhlich zu.

Erleichtert sammle ich meine Sachen ein. Die Lehrerin bedankt sich bei mir, entschuldigt sich noch einmal für den Zwischenfall und teilt mir mit, dass sie die Gaststunde mit den Schülern auswerten und Janneke für ihr Verhalten noch einmal zur Rechenschaft ziehen wird.
„Ich habe keine Ahnung, was mit ihr los ist, gestern hatte sie in der Klasse einen Streit mit ihrer besten Freundin. Da muss etwas nicht stimmen, denn normalerweise ist sie eine nette, ruhige und freundliche Schülerin. So kenne ich sie gar nicht“, seufzt sie. Sie hat bestimmt keinen einfachen Job.
„Es lag bestimmt nicht an Ihnen oder Ihrer Geschichte, ich kenne meine Pappenheimer und die waren wirklich fasziniert und interessiert.“
Nun kenne ich ihre Schüler nicht, aber ich hatte den Eindruck, dass sie mir, abgesehen von dem Zwischenfall, aktiv und interessiert zugehört haben. Und die vielen Fragen zeigten durchaus Interesse. Ich nehme ihre Entschuldigung an und wünsche ihr viel Kraft mit Janneke.

Als er mit dem Aufräumen fertig ist, zieht Kees meine Aufmerksamkeit auf sich, indem er mir zuwinkt.
„Hey, was denkst du über die heutige Stunde?“, fragt er.
„Besser als ich es mir erhofft hatte, auch ohne Batterie! Und wie war dein Eindruck?“
Kees streckt zwei Daumen hoch.

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