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Spiegel


Spiegel

Quelle: http://de.freeimages.com/photo/mirror-image-1532853 @adyna

Leser, die diesen Blog schon länger folgen, erinnern sich vielleicht an den Beitrag „Jedes Nachteil hat auch seinen Vorteil“.
In dem Beitrag, habe ich erklärt, dass auch eine Hörbeeinträchtigung manchmal ein Vorteil hat. Zum Beispiel, wenn die Nachbarn eine Party schmeissen bis frühmorgens und mich das ohne Hörgeräte nicht im Geringsten stört.

Heute möchte ich Ihnen aber Mal eine Gewissensfragen stellen. Schauen Sie sich im Spiegel sehr tief in den Augen, wenn Sie diese Frage beantworten …
Haben Sie je Ihre Hörbeeinträchtigung benutzt als Ausrede zum eigenen Nutzen?
Passen Sie auf, ich meine hier kein Missbrauch, so wie es eine Bande Gauner macht, in dem sie sich gutherzige Menschen als Gehörlosen vortäuschen, um sie so zu Spenden zu bewegen, die sie dann in eigener Tasche stecken.

Nein, ich rede hier zum Beispiel von kleinen Ausreden, wie dem PartnerIn ein Telefongespräch führen zu lassen, obwohl Sie das mit einiger Mühe auch selber hätten tun können, aber Angst haben das Gespräch nicht zu verstehen. Oder ihre Hörbeeinträchtigung zu benutzen, an einer Sitzung nicht protokollieren zu müssen, weil Sie eigentlich keinen Lust dazu haben.

Und, was erzählt Ihnen der Spiegel? Sind Sie gaaanz ehrlich? An dieser Stelle muss ich ehrlich gestehen, dass ich mich selbst „Schuldig“ bekennen muss. Ganz harmlos, natürlich, aber ja, ich benutze manchmal meine Hörbeeinträchtigung als Ausrede nicht telefonieren zu müssen. Mit Streamer oder mit (lauter) Sprechanlage, klappt das telefonieren einigermassen. Es kostet mich aber viel Energie und Konzentration, weil ich nicht ablesen kann und ich habe Angst unbekannte Gesprächspartner nicht gut zu verstehen. Deshalb mache ich es mich manchmal einfach, und bitte jemand anderem für mich zu telefonieren oder kommuniziere nur per E-Mail.

Ich telefoniere in Prinzip nicht mit meinem Handy, obwohl das mit Streamer und Bluetooth technisch möglich wäre, wenn es wenig Nebengeräusche gibt, also nicht auf der Strasse. Warum ich mich dafür entscheide? Teils, weil es für mich einfacher ist und ich ausserdem kaum auf dem Handy angerufen werde.Teils, weil es schwer zu erklären ist, warum ich manchmal schon und manchmal nicht mit dem Handy telefonieren kann. Durch eine Grenze zu stellen, erspare ich mich eine Erklärung und eine Menge Energie.

Ist das so schlimm, fragen Sie sich jetzt vielleicht. Jein. Nein, weil die meisten Menschen sich mal von einer Ausrede bedienen und unsere Ausrede der Hörbeeinträchtigung ist nicht Mal erfunden.

Warum dann auch Ja? Weil wir, Hörbeeinträchtigte keine Opfer sind und wir uns nicht hinter unsere Beeinträchtigung verstecken sollten. Wenn wir von anderen nicht als Opfer, oder mitleidig betrachtet werden wollen, sollten wir selbst eher aus dieser Opferrolle hinaustreten. Schliesslich wollen wir ja selber bestimmen, was wir können oder nicht, nicht wahr?

Klar, ich mag nicht gern telefonieren oder protokollieren. Meine Hörbeeinträchtigung sei aber kaum Grund mich davor zu drücken.

Auch viele Hörbeeinträchtigte können zum Beispiel protokollieren. Mit Hilfe eines Schriftdolmetschers oder FM-Geräts. Vorausgesetzt natürlich, dass die Bedingungen stimmen, wie einer ordentlicher Sitzungsdisziplin. Selbst ein Protokoll zu schreiben ist sogar gut, damit man auch mehr mitbekommt was an der Sitzung besprochen worden ist.

Also, schauen Sie nochmals in ihrem Spiegel und machen Sie sich und Ihrem Spiegelbild nicht zum Opfer. Zu einem guten Zweck ist immerhin eine Ausrede manchmal erlaubt 😉

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